Du siehst uns nur nicht...
Du fühlst es nur nicht...
Du verstehst nicht, warum sie manchmal so völlig verzweifelt sind???
Es gibt Dinge, Augenblicke und Ereignisse, die verschwinden aus reinem Selbstschutz so tief in den hintersten Gehirnspeicher, dass der betroffene Mensch Zeit genug hat, sich selbst zu finden und das Erlebte zu verarbeiten.
Und eines Tages... scheinbar völlig unerwartet... bricht die Wunde auf, die all die Jahre verkrustet war und blutet wieder. Das erschreckt nicht nur den Betroffenen, das erschreckt auch die Umwelt.
Für den Betroffenen ist eines dabei allerdings meistens auch deutlich:
"Das ist immer schon etwas... aber ich weiß nicht genau was..."
"Da sind schon immer irgendwelche Bilder in meinem Kopf und ich weiß nicht woher..."
"Da sind immer schon Augenblicke, in denen ich nicht weiß wie ich reagieren soll und ich weiß nicht wirklich warum."
"Da sind schon immer all die vielen Fragen auf die ich keine Antworten finden kann."
Plötzlich – vielleicht nach 20 oder 30 Jahren – kommt durch ein x-beliebiges banales Ereignis die ganze schreckliche Wahrheit ans Tageslicht.
Ein totaler Schock für den Betroffenen und auch für die Umwelt.
Dann beginnt der lange und schmerzhafte Weg, den Ereignissen von damals erneut ins Auge zu schauen. Dann hat der Betroffene vielleicht mehr Kraft, damit umzugehen.
Vielleicht... vielleicht auch nicht.
Schmerzlich ist der Weg auf jeden Fall und einfach ist er auch nicht.
Helfende Hände zu nehmen ist schwierig und diesen Weg allein zu gehen auch.
Nach 20 oder 30 Jahren darüber zu sprechen... wer glaubt einem da noch?
Aber: Wer hätte einem denn damals geglaubt???
In unserer Gesellschaft wird so vieles unter den Teppich gekehrt. Wenn man es nicht sehen kann, ist es einfach nicht da.
Aber es wird immer einen geben, der den Finger auf die schmutzigen Wunden dieser Gesellschaft halten wird.
Es wird immer einen geben, der Kraft genug hat, das anzusprechen, was andere so gerne verheimlichen und nicht wahrhaben wollen.
Es wird immer einen geben, der den Weg geht und wenn er damit erreicht, dass einer – nur einer – beginnt zu sprechen, dann hat sich jeder einzelne Schritt auf diesem Weg gelohnt.
Denn:
Wir sind viele, Ihr seht uns nur nicht.
Wir sind viele, wir lächeln Euch ins Gesicht.
Doch viel zu viele weinen ihre Tränen allein,
und wünschen ihr Leben wäre nicht so gemein.
Wir sind viele, wir versuchen jeden Tag zu über-leben.
Wir sind viele, wir suchen Wege, Vertrauen zu geben.
Doch viel zu viele sperren sich in ihren Mauern ein
und wünschen sich, diese Welt wäre nicht so gemein.
Wir sind viele, wir haben Angst vor jedem neuen Kontakt.
Wir sind viele, wir haben dieses traurige Leben so satt.
Doch viele zu viele hoffen und beten für sich ganz allein
und wünschen sich einen, der lieb ist und nicht so gemein.
Wir sind viele, die diese Gesellschaft nicht wahrhaben will.
Wir sind viele, von denen sie hofft, sie wären endlich mal still.
Doch viele zu viele warten darauf an jedem einzelnen Tag,
und wünschen sich jemand, der endlich auch etwas sagt.
© Cornelia G. Becker